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Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon

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Biography
Works
Secondary Literature
Additional (posthumous) Works

Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, volume 5(1993), columns 788-792
[Biographical-Bibliographical Church Encyclopedia]
Author: Johannes Vorlaufer [updated July 10, 1998, June 21, 2004]
{text in [ ] added by Harold Marcuse}

MARCUSE, Herbert, bedeutender Philosoph und Gesellschaftstheoretiker der »Frankfurter Schule«, * 19. Juli 1898 in Berlin, + 29. Juli 1979 während eines Aufenthalts in Starnberg in der Bundesrepublik Deutschland.

  • Sein Vater, [Carl Marcuse, 1867-1948] ein jüdischer Fabrikant, der mit seinen Brüdern aus der pommerschen Provinz nach Berlin gekommen war, sich zum Teilhaber einer Textilfabrik hochgearbeitet und später zusammen mit einem Architekten die Baugesellschaft »Friedenthal und Marcuse« gegründet hatte, konnte in dieser Stellung seiner Frau und seinen drei Kindern die Privilegien einer großbürgerlichen Existenz sichern.
  • Nach einiger Zeit als passives Mitglied der von den Eltern als Arbeiterpartei verachteten SPD bezichtigte H.M. die Parteiführung als mitschuldig an der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, verließ die Partei und studierte zunächst in Berlin, dann in Freiburg i.Br. neuere deutsche Literaturgeschichte, daneben Philosophie und Nationalökonomie.
    • 1922 promovierte M. in Freiburg mit der Dissertation »Der deutsche Künstlerroman«, die seine Auseinandersetzung mit Lukács und Hegel widerspiegelt.
    • Nach seiner Promotion wurde er Teilhaber eines Verlags- und Buchantiquariatsunternehmens und unterhielt daneben einen literarischen Salon, in dem über marxistische Theorien, aktuelle Probleme der bürgerlichen Philosophie und Psychologie diskutiert wurde.
  • Beim Studium von Heideggers soeben erschienenem Band »Sein und Zeit« dachte M., hier jenes existenzielle Element und einen Ansatz zur Klärung der alltäglichen Formen der Entfremdung gefunden zu haben, der ihm in der marxistischen Theorie gefehlt hatte. M. beschloß, eine Karriere als Philosoph einzuschlagen und übersiedelte 1928 nach Freiburg, um bei Heidegger eine Assistentenstelle anzunehmen. Seine Hoffnung, bei Heidegger eine »konkrete Philosophie« vorzufinden, schlug aber alsbald in eine enttäuschte Kritik um daran, daß Heideggger in seiner Philosophie nicht auf die konkreten geschichtlichen Bedingungen des Daseins einginge.
    • Ende der 30er Jahre arbeitete M. an einer Untersuchung über »Hegels Ontologie und die Grundlegung einer Theorie der Geschichtlichkeit«, mit der er sich bei Heidegger habilitieren wollte. Die Lektüre von Dilthey, Hegel und vor allem von Karl Marx, dessen »ökonomisch-philosophische Manuskripte« 1972 erstmals veröffentlicht und von M. in seinem Aufsatz »Neue Quellen zur Grundlegung des Historischen Materialismus« interpretiert wurden, bestimmte M.s Weiterentwicklung von der Phänomenologie zur Kritischen Theorie.
  • Seine Beschäftigung mit Marx und etwas später mit Sigmund Freud brachte ihn mit dem von Horkheimer geleiteten Institut für Sozialforschung in Frankfurt in Verbindung, an dessen Zeitschrift er maßgebend mitarbeitete.
    • Kurz vor der Machtübernahme Hitlers emigrierte M. nach Amerika, wo das Institut an der New Yorker Columbia Universität weiterarbeiten konnte und M. sein erstes Hauptwerk »Vernunft und Revolution. Hegel und die Entstehung der Gesellschaftstheorie« veröffentlichte.
    • Die folgenden 8 Jahre arbeitete M. als Angestellter des amerikanischen Geheimdienstes OSS.
    • Im folgenden Jahrzehnt erschienen die beiden wichtigen Bücher »Triebstruktur und Gesellschaft - ein philosophischer Beitrag zu Sigmund Freud«, in dem er sich mit Freuds späterer Kulturtheorie auseinandersetzte, und »Die Gesellschaftslehre des sowjetischen Marxismus«, das eine Kritik an den totalitären Verfälschungen des emanzipatorischen Sozialismus enthält.
  • In Europa begann die Wirkung M.s erst allmäßlich, 1956 mit seinem Auftreten bei den internationalen Freud-Vorlesungen in Frankfurt, 1964 auf dem Heidelberger Soziologentag, wo er sich mit Max Weber kritisch auseinandersetzte.
    • Insbesondere mit seinem Essay »Repressive Toleranz« gab er der nun auch in Deutschland anlaufenden Protestbewegung der Studenten entscheidende Impulse.
    • Hatte er 1964 mit seinem umfangreichen Buch »Der eindimensionale Mensch« noch seine düstere Sicht einer totalitären Gesellschaft vorgelegt so hoffte er nun auf reale Möglichkeiten einer Änderung der gesellschaftlichen Verhältnisse.
    • Mit dem Ende der Studentenbewegung kam M. zur Erkenntnis, daß eine qualifizierte Revolution von einem bis in die Sinnlichkeit hinein veränderten Bewußtsein getragen sein müßte. Kunst ebenso wie emanzipatorische Frauenbewegungen gewannen deshalb für M. große Bedeutung in Hinblick auf die Möglichkeit einer Veränderbarkeit der Gesellschaft.

Works/Werke (back to top; to Publications page; H.M. homepage)[some typos corrected]:

  1. Der deutsche Künstlerroman (Diss. Freiburg i. B.) 1922;
  2. Beiträge zu einer Phänomenologie des Historischen Materialismus, in: Philosophische Hefte 1, 1928, 45-68;
  3. Über konkrete Philosophie, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik 62, 1929, 111-128;
  4. Zur Wahrheitsproblematik der soziologischen Methode, in: Die Gesellschaft 2, 1929, 356-369;
  5. Das Problem der geschichtlichen Wirklichkeit, in: Die Gesellschaft 8, 1931, 350-367;
  6. Hegels Ontologie und die Theorie der Geschichtlichkeit, 1932;
  7. Neue Quellen zur Grundlegung des Historischen Materialismus, in: Die Gesellschaft 9, 1932, 136-174;
  8. Über die philosophischen Grundlagen des wirtschaftswiss. Arbeitsbegriffs, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik 69, 1933, 257-292;
  9. Der Kampf gegen den Liberalismus in der totalitären Staatsauffassung, in: ZfS 3, 1934; also in Schriften, vol. 3
  10. Philosophie und Kritische Theorie, in: ZfS 6, 1937; also in Schriften, vol. 3
  11. Über den affirmativen Charakter der Kultur, in: ZfS 6, 1937; also in Schriften, vol. 3
  12. Zur Kritik des Hedonismus, in; ZfS 7, 1938; also in Schriften, vol. 3
  13. Reason and Revolution: Hegel and the Rise of Social Theory, New York, 1941 (dt.: Vernunft u. Revolution, 1962;
  14. Eros and Civilization: A philosophical Inquiry to Freud, Boston 1955 (German: Eros und Kultur, 1957, Triebstruktur und Gesellschaft, 1965);
  15. "Die Idee des Fortschritts im Lichte der Psychoanalyse," in: Frankfurter Beiträge zur Soziologie 6, 1957, 425-441;
  16. Soviet Marxism: A Critical Analysis, New York, 1958
    (dt.: Die Gesellschaftslehre des Sowjetischen Marxismus, 1964);
  17. "Emanzipation der Frau in der repressiven Gesellschaft: Ein Gespräch mit H. M. und Peter Furth," in: Das Argument 23, 1962, 2-12;
  18. One Dimensional Man: Studies in Ideology of Advanced Society, Boston 1964 (dt.: Der eindimensionale Mensch, 1967); [English full text online]
  19. Kultur und Gesellschaft, 1965;
  20. Critique of Pure Tolerance, 1965 [English full text online]
    (German: Kritik der reinen Toleranz 1966); [German full text online]
  21. Das Ende einer Utopie: Psychoanalyse und Politik, 1968;
  22. An Essay on Liberation, Boston 1969
    (German: Versuch über die Befreiung, 1969);
  23. Counterrevolution and Revolt, Boston 1972
    (German: Konterrevolution u. Revolte, 1973);
  24. Zeitmessungen, 1975;
  25. Die Permanenz der Kunst, 1977;
  26. Gespräche mit Herbert Marcuse, 1978;
  27. Das Ende der Utopie: Vorträge und Diskussionen in Berlin 1967, 1980;
  28. Herbert Marcuse, Schriften, Frankfurt/M, 1978 ff.; [reissued 2004]
    • Bd. 1 Der deutsche Künstlerroman: Frühe Aufsätze, 1978;
    • [Bd. 2
    • Bd. 3 Aufsätze aus der Zeitschrift für Sozialforschung, 1979;
    • [Bd. 4
    • Bd. 5 Triebstruktur und Gesellschaft, 1979;
    • [Bd. 6
    • [Bd. 7
    • Bd. 8 Aufsätze und Vorlesungen 1941-1969. Versuch über Befreiung, 1984;
    • Bd. 9 Konterrevolution und Revolte. Zeit-Messungen. Die Permanenz der Kunst, 1987.
  29. [posthumous works including Herbert's unpublished papers listed below]

[important secondary works, more complete list follows below:]

  • Karl-Heinz Wolff und Barrington Moore (Hrsg.), The Critical Spirit: Essays in Honor of H. M., 1967; [contents on Books About page]
  • Morton Schoolman, The Imaginary Witness, 1980;
  • Karl-Heinz Sahmel, "Ausgewählte Bibiographie der Schriften von und über H. M.," in: Jahrbuch Arbeiterbewegung 6, 1979, 271-301;
  • Douglas Kellner, Herbert Marcuse and the Crisis of Marxism, 1984, 480-497;
  • Rolf Wiggershaus, Die Frankfurter Schule: Geschichte - Theoretische Entwicklung - Politische Bedeutung, 1986, 759-761; 766-783. [English edition 1994]

Secondary Literature (back to top; to Book About page; Herbert Marcuse homepage):

  1. Karl-Heinz Wolff, Barrington Moore (Hrsg.), The Critical Spirit: Essays in Honor of H. M. 1967
  2. H.-H. Holz, Utopie und Anarchismus, 1968;
  3. Ders., Die abenteuerliche Revolution, 1976;
  4. I. Cohen, "The Philosophy of M." New Left Review, 1969;
  5. H. Fuhrmann, "Zum Problem der revolutionären Gewalt," in: Neue Sammlung, 9 1969;
  6. Paul Mattick, Kritik an H. M., 1969;
  7. Th. Roszak, The Making of Counter Culture, 1969, 48-123;
  8. Alfred Schmidt, "Existentialontologie u. historischer Materialismus bei M.", in: J. Habermas (Hrsg.), Antworten auf H. M, 1969;
  9. R. Steigerwald, Herbert Marcuses dritter Weg, 1969;
  10. Michael Theunissen, Gesellschaft u. Geschichte: Zur Kritik der kritischen Theorie, 1969;
  11. B. Willms, Revolution und Protest, 1969;
  12. H.-D. Bahr, Kritik der politischen Technologie, 1970;
  13. L. Coletti, "Von Hegel zu Marcuse," in: Alternative 72/73, 1970, 129-149;
  14. Johannes Henrich v. Heiseler, Robert Steigewald, Josef Schleifstein (Hrsg.), Die »Frankfurter Schule« im Lichte des Marxismus. Zur Kritik der Philosophie und Soziologie von Horkheimer, Adorno, Marcuse, Habermas, 1970;
  15. J. Laplanche, Marcuse und die Psychoanalyse, 1970;
  16. R. Ahlers, "Technologie und Wissenschaft bei Heidegger und Marcuse," in: Zeitschrift fuer philosophische Forschung 25, 1971, 575-590;
  17. J.P. Arnason, Von Marcuse zu Marx 1971;
  18. A. MacIntyre, Herbert Marcuse, 1971;
  19. H. Jansohn, Marcuse - Philosophische Grundlagen seiner Gesellschaftskritik, 1971;
  20. N. Motroschilowa u. J. Samoschkin, M.s Utopie der Antigesellschaft, 1971;
  21. P. Breines (Hrsg.), Critical Interpretations: New Left Perspectives on H. Marcuse, 1972;
  22. Martin Jay, The Dialectical Imagination: A History of the Frankfurt School and the Institute of Social Research, 1923-1950, 1973
    (German: Dialektische Phantasie. Die Geschichte der Frankfurter Schule u. des Instituts für Sozialforschung, 1923-1950, 1976);
  23. R.N. Anshen, "Authority and Power: Erich Fromm and Herbert Marcuse," in: Journal of Social Philosohy 5, 1974, 1-8;
  24. B. Agger, "Marcuse and Habermas on New Science," in: Polity 9,2, 1976, 158-181;
  25. S. Breuer, Die Krise der Revolutionstheorie, 1977;
  26. David Held, Introduction to Critical Theory: From Horkheimer to Habermas, 1980;
  27. M. Schoolman, The Imaginary Witness, 1980;
  28. Detlef Claussen (Hrsg.), Spuren der Befreiung, 1981;
  29. Jürgen Habermas, Philos.-politische Profile, 1981, 253-335;
  30. Karl-Heinz Sahmel, Vernunft und Sinnlichkeit, 1981;
  31. L. Zahn, "Herbert Marcuse: Die Utopie der Glücklichen Vernunft," in: Josef Speck (Hrsg.), Grundprobleme der großen Phlosophen, 1981, 186 ff.;
  32. Barry Katz, Herbert Marcuse and the Art of Liberation: An Intellectual Biography, 1982;
  33. P. Prechtl, Bedürfnisstruktur und Gesellschaft, 1983;
  34. Douglas Kellner, Herbert Marcuse and the Crisis of Marxism, 1984;
  35. Gerhard Gamm, Angesichts objektiver Verblendung:Über die Paradoxien Kritischer Theorie, 1985;
  36. Axel Honneth, Albrecht Wellmer (Hrsg.), Die Frankfurter Schule und die Folgen: Referate eines Symposiums der Alexander von Humboldt-Stiftung vom 10.-15. Dezember 1984 in Ludwigsburg, 1986;
  37. Rolf Wiggershaus, Die Frankfurter Schule: Geschichte - Theoretische Entwicklung - Politische Bedeutung, 1986.

Johannes Vorlaufer
Letzte Änderung: 10.07.1998


Additional Works/Werkeergänzung (back to works list; back to top; to homepage):
Aus dem Nachlaß erschienen/From Herbert's Papers:

  • Feindanalysen: Über die Deutschen. Einleitung Detlev Claussen, herausgegeben mit einem Vorwort und Kommentar von Peter-Erwin Jansen, 1998
  • Das Schicksal der bürgerlichen Demokratie. Einleitung Oskar Negt, herausgegeben mit einem Vorwort und Kommentar von Peter-Erwin Jansen, 1999
  • Kunst und Befreiung. Einleitung Gerhard Schweppenhäuser, herausgegeben mit einem Vorwort und Kommentar von Peter-Erwin Jansen, 2000
  • Philosophie und Psychologie. Einleitung Alfred Schmidt, herausgegeben mit einem Vorwort und Kommentar von Peter-Erwin Jansen, 2002
  • Die Studentenbewegung und ihre Folgen. Einleitung Wolfgang Kraushaar, herausgegeben mit einem Vorwort und Kommentar von Peter-Erwin Jansen, 2004.

Letzte Änderung: 21.06.2004


archive copy, Aug. 1, 2003, formatting, navigation and translations added 1/30/05, update 2/19/05
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