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Rudi Dutschke�Herbert Marcuse

(1940-Dec. 1979)  �  (1898-July 1979)

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Junge Welt, 11.04.1998 (http://www.jungewelt.de/suche/)
»Sind Sie Rudi Dutschke?«
Vor 30 Jahren: Ein Attentat und die antiautoritäre Revolte
»Nachdem ich die Kugeln schon in Kopf und Körper hatte, war ich es wert, als Mensch zu gelten, vorher hatten die Herren da oben alles getan, um Unmenschlichkeit wachsen zu lassen. Wir haben keinen Grund, die Ermordung von Benno Ohnesorg am 2. 7. 67 und den 11. 4. 68 zu vergessen. Da war nicht >klammheimliche Freude<, da war offene Freude der Herrschenden.«
(Rudi Dutschke 1978)

Als Rudi Dutschke am 11. April 1968 mit seinem Fahrrad vor der noch geschlossenen Apotheke in der Nähe des Westberliner SDS-Zentrums wartete, um Medizin für seinen dreimonatigen Sohn zu besorgen, war er bereits auf dem Sprung, die Bundesrepublik für unbestimmte Zeit zu verlassen, seine führende Rolle innerhalb des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) und der Außerparlamentarischen Opposition (APO) demonstrativ aufzugeben.
Zu sehr war er ins Fadenkreuz nicht nur der bürgerlichen Hetzkampagne, sondern auch seiner eigenen Genossen geraten, die ihm zunehmenden Personenkult und unverantwortliche politische Zuspitzungen vorwarfen. »Ich meine, durch diese totale Personalisierung ist ein autoritäres Moment in unsere Bewegung hineingekommen, das wir eigentlich nur durch ein systematisches Konzept von Kritik und Selbstkritik überwinden können. Wenn jetzt hier von den Herrschenden gesagt wird, ohne Dutschke ist die Bewegung tot, so habt ihr zu beweisen, daß die Bewegung nicht steht mit Personen, sondern daß sie getragen wird von Menschen, die sich im Prozeß der Auseinandersetzung zu neuen Menschen herausbilden. Zu neuen Menschen mit neuen Bedürfnissen, mit neuen Interessen, die sich nicht von oben, links oder rechts manipulieren lassen, sondern fähig sind, an der Basis die Widersprüche zu vertiefen, in den einzelnen Sphären sich zu organisieren mit einer klaren antiautoritären, antifaschistischen Tendenz, die in einem langfristigen Prozeß diese Gesellschaft revolutioniert«, begründete Dutschke in einem kurz vor dem Attentat aufgezeichneten Fernsehinterview seinen geplanten Umzug in die USA. Von dort aus wollte er mit Hilfe des von ihm und einigen Genossen unmittelbar nach dem Vietnam-Kongreß gegründeten Internationalen Nachrichten- und Forschungsinstituts (INFI) Informationen über die Dritte Welt sammeln und die internationalen Aufstandsbewegungen und Revolten mit den Kämpfen in den Metropolen und den deutschen Gruppen verbinden.
Dazu sollte es jedoch nicht mehr kommen. Nachdem er einige Minuten auf seinem Fahrrad am Straßenrand gewartet hatte, sah er, ohne sich dabei etwas zu denken, einen jungen Mann über die Straße an ihm vorbeigehen und in einem Abstand von ca. zwei Metern stehenbleiben. »>Sind Sie Rudi Dutschke?< Ich zögerte nicht und sagte: >Ja< - und in einem sekundenhaften, blitzartigen Augenblick riß er seine Pistole aus der Jackentasche und schießt. Da war keine andere Frage, kein Nachdenken, kein Zögern bei diesem Lohn- Sklaven, diesem Maler Bachmann, politischer Mord allein war sein bestimmendes Ziel, ein faschistisches«, beschrieb Dutschke die Szene viele Jahre später. Sein Leben kann zwar gerettet werden, doch er verliert zehn Zentimeter seines Gehirns und damit sein Erinnerungs- und Sprachvermögen.
Der Attentäter Josef Erwin Bachmann, ein durch Springer- Presse und neofaschistische Publikationen aufgehetzter 23jähriger Gelegenheitsarbeiter, wird kurz nach der Tat festgenommen und 1969 zu sieben Jahren Zuchthaus verurteilt. Nachdem er Dutschke seine Reue bekundet hatte, brachte er sich im Februar 1970 selbst um.

Warenfetisch und Moral
»Das politische Neuerlernen begann im Krankenhaus, die Presse spielte hierbei wieder eine wichtige Rolle«, schreibt Dutschke in seiner Fragment gebliebenen Autobiographie »Aufrecht gehen« und schildert, wie ihn ein Journalist im Mai 68 im Krankenzimmer aufsucht und um ein Foto des Angeschossenen bittet. Dutschke weist ihm empört die Tür. Auch als ihn einige Tage später ein führender SDS-Genosse nochmals darum bittet und meint, für ihn und die Bewegung seien 100 000 DM im Spiel, bleibt er hart: »Mich zu erniedrigen war ich nicht bereit: als Sozialist aus moralischen Gründen, und der angeschossene >Marxist< wußte noch immer etwas von der Kategorie der Ware und vom Warenfetischismus.« Das Bild des ein halbes Jahr zuvor ermordeten und öffentlich ausgestellten Che Guevara dürfte ihm noch präsent gewesen sein, denn er fährt fort: »Die Geier des Pressemarktes ... wollten das Bild eines Geschlagenen, eines Ausgeschalteten, das Bild eines SDS-Wracks sehen. Der Jugend sollte in letzter Konsequenz gezeigt werden: Geht bloß nicht solch einen Weg, es wird euch wie ihm ergehen. Die breite und verzweifelte Mobilisierung konnte die abschreckende Wirkung des Attentats doch nicht leugnen. Mit solchen Bildern aus dem Krankenhaus sollte diese Aussichtslosigkeit befestigt werden, nein, nein, nein.«
Eine symptomatische Episode, die ein Schlaglicht auf die Persönlichkeit Dutschkes wirft und seine Ausstrahlung auf die vielen anderen erklärt, die ihn zum Symbol der Revolte machten. Seine antiautoritäre und aufklärerische Persönlichkeit verstand es, Menschen nicht nur schwierige politische Sachverhalte verständlich zu machen, sondern sie auch zur politischen Aktion zu bewegen. »Sich selbst zu verändern, glaubwürdig zu werden, Menschen zu überzeugen und den verschiedensten Formen von Ausbeutung und Terror entgegenzuwirken, das mag in manchen Augenblicken ungeheuer schwer erscheinen. Und dennoch gibt es dazu keine Alternative«, sollte er 1977 sein Credo auf den Punkt bringen. Er hat nie vergessen oder verdrängt, daß auch die Erzieher erzogen werden müssen und daß dieses nur durch ein Zusammenfallen von Selbstveränderung und Ändern der gesellschaftlichen Umstände, durch revolutionäre Praxis vonstatten gehen kann. Entsprechend verstand er den Sozialismus »nicht als Mythos der Ferne oder der Vergangenheit«, wie er einmal schrieb, »sondern als konkret- utopische Perspektive der neuen Lebensqualität«, als »aufrechten Gang in Richtung Freiheit«.

Ein deutscher Sozialist
Am 7. März 1940 in der ostdeutschen Mark Brandenburg geboren, wächst Rudi Dutschke in einfachen Verhältnissen auf und engagiert sich in der evangelischen Jugendgemeinde. Weil er den Dienst in der Nationalen Volksarmee der DDR verweigert, wird dem begeisterten Sportler das ersehnte Studium an der Sporthochschule verboten. Dutschke treibt es nach West-Berlin, wo er das Abitur nachholt und 1961 ein Soziologiestudium an der Freien Universität beginnt. Der christliche Sozialist steht noch ganz unter dem Einfluß der existentialistischen Philosophie, von Sartre, Heidegger und dem Buddhismus. »Rudi war einig mit der existentialistischen Kritik an der Massenkultur, insoweit sie die Menschen von sich selbst entfremdet. Er stimmte nicht überein, insoweit es darum ging, sich von der Gesellschaft abzusondern. Man mußte in Kommunikation mit den Menschen bleiben. Man mußte das Bewußtsein (und damit die Massenkultur) der Menschen verstehen und sie, davon ausgehend, verändern«, schreibt seine Witwe Gretchen Dutschke über jene Zeit. Er beginnt ein intensives Literaturstudium - Freud, Max Weber, Marx, Luxemburg, Lenin, Trotzki, Karl Korsch, Ernst Bloch, Isaac Deutscher u. v. a. - und entdeckt vor allem Georg Lukacs und Herbert Marcuse. Unter ihrem Einfluß entwickelt sich Dutschke zum revolutionären Marxisten, der sozialdemokratischen Reformismus und erziehungsdiktatorischen Stalinismus gleichermaßen ablehnt.
Zusammen mit seinem ebenfalls aus dem Osten gekommenen Freund Bernd Rabehl engagiert er sich seit 1963 in der kulturrevolutionär-anarchistischen Gruppe Subversive Aktion und seit 1965 im SDS. Beide werden schnell zu Führungsfiguren der entstehenden APO, der außerparlamentarischen Opposition, und propagieren eine stärkere Ausrichtung an provokativen Formen »direkter Aktion«, um die Verhältnisse der versteinerten CDU-Gesellschaft zum Tanzen zu bringen und politisches Bewußtsein bei den Massen hervorzurufen.

»Die materiellen Voraussetzungen für die Machbarkeit unserer Geschichte sind gegeben. Die Entwicklungen der Produktivkräfte haben einen Prozeßpunkt erreicht, wo die Abschaffung von Hunger, Krieg und Herrschaft materiell möglich geworden ist. Alles hängt vom bewußten Willen der Menschen ab, ihre schon immer von ihnen gemachte Geschichte endlich bewußt zu machen, sie zu kontrollieren, sie sich zu unterwerfen, hält Dutschke Mitte Juni 1967 dem die studentischen Aktionen kritisierenden Jürgen Habermas auf einem Kongreß über Bedingungen und Organisation des Widerstandes entgegen. Eine Woche vorher, am 2. Juni, war der Student Benno Ohnesorg bei einer Demonstration gegen den Staatsbesuch des Schahs von Persien von einem Polizisten erschossen worden. Erster Höhepunkt der außerparlamentarischen Opposition, der zu einer Radikalisierung der Aktivisten und zur Verbreiterung ihres Protestes beitragen sollte.

Radikalisierung der Revolte
Die bundesdeutsche Gesellschaft zu Beginn der sechziger Jahre schien stabil und versteinert, doch unter der Oberfläche veränderten sich die gesellschaftlichen Bedürfnisse. Der wirtschaftliche Nachkriegsboom trieb seinem Ende zu, und die obrigkeitsstaatliche Adenauer-Gesellschaft reagierte mit einer Mischung aus Beharrungsvermögen und Reformwillen. Mit Notstandsgesetzen, einem staatsinterventionistischen Wirtschaftsprogramm und Einführung des Mehrheitswahlrechtes wollten sich die Herrschenden auf alle Eventualitäten vorbereiten. Das rief jedoch das liberale Bürgertum auf den Plan, ebenso die Gewerkschaften und Teile der SPD. Vor allem die Studierenden radikalisierten sich schnell im Kampf gegen die zutiefst autoritär strukturierte Ordinarienuniversität. Sie waren auch die ersten, die die neokoloniale und imperialistische Ausbeutung der sogenannten Dritten Welt thematisierten und anprangerten.
Mit der zunehmenden Militärintervention der USA in Vietnam bekommen die vielfältigen Protestbewegungen ein übergreifendes Thema. Im Dezember 1964 kommt es zu einer großen Demonstration gegen den kongolesischen Diktator Tschombé, und im Mai 65 findet ein Bonner Kongreß gegen die Notstandsverordnungen statt. In den folgenden Monaten demonstrieren Zehntausende gegen den Krieg in Vietnam. Im Jahr 66 schließlich breitet sich die Bewegung weiter aus. Am 2. Juni 67 kommt es dann zu Demonstrationen gegen den Schah von Persien und zum ersten Toten der sich schnell vereinheitlichenden Protestbewegung. Der Kampf gegen die »formierte Demokratie« verbindet sich mit der Solidarität mit antiimperialistischen Befreiungsbewegungen weltweit. Seit Ende 67 schießen sich bürgerliche und neofaschistische Presse auf den vermeintlichen Rädelsführer Dutschke ein, der die ersten tätlichen Übergriffe auf seine Person abwehren muß. Mitte Februar kommt es zum Internationalen Vietnam- Kongreß in Berlin. 5 000 Menschen aus aller Welt diskutieren unter der Wandparole »Die Pflicht des Revolutionärs ist es, die Revolution zu machen«, jagen dem herrschenden Bürgertum heillose Angst ein und lösen Gegenkundgebungen (»Für ein Verbot des SDS«, »Dutschke Volksfeind Nr. 1« usw.) aus.
Am 4. April wird der schwarze Bürgerrechtsführer Martin Luther King bei einem Attentat in den USA ermordet. Der junge Deutsche Bachmann weiß nun endlich, was er zu tun hat und plant sein Attentat auf den schillernden Protagonisten der deutschen Revolte, das er eine Woche später, am Gründonnerstag, in die Tat umsetzen wird. Die Bewegung ist schockiert und reagiert mit Gegengewalt. Das Osterfest erlebt eine Welle des teilweise gewalttätigen Protestes, der sich vor allem gegen die rechtsbürgerliche Meinungsführerschaft des Springer-Verlages richtet (»Enteignet Springer!«) und zwei Tote in München fordert.
Die antiautoritäre Revolte, von Beginn an eine Koalition verschiedener, widersprüchlicher Kräfte, bekommt eine homogenisierende Dynamik, die die minoritäre Rolle der Bewegung zeitweilig aufhebt.

Jahre des Aufschubs
Unter dem kombinierten Ansturm von Repression und partieller Reformen zerbricht die Revolte jedoch bald in ihre heterogenen Einzelteile. Sie kann zwar als Kulturrevolution noch eine jahrzehntewährende Dynamik erlangen, aber keine politisch durchsetzungsfähige sozialrevolutionäre Qualität jenseits von Reformismus und Stalinismus mehr begründen.
Der schwerverletzte Dutschke ist durch seine schweren Verletzungen während dieses geschichtlichen Auf und Ab zum Zaungast degradiert, muß sich seine Sprache in den nächsten Wochen und Monaten erst mühsam wieder aneignen. Er will nur noch weg aus diesem Deutschland, doch Einreiseverbote nach Frankreich, in die Niederlande, die USA und Kanada vereiteln seine Pläne. So geht er mit Frau und Kind zuerst nach Italien und dann nach Großbritannien. Als ihn die dortige konservative Regierung Anfang 1971 wegen »subversiver Tätigkeit« ausweist, nimmt er im dänischen Aarhus einen Lehrauftrag an der Universität an. Hier macht seine Genesung Fortschritte, und er vollendet 1973 seine Doktorarbeit über Lukacs, Lenin und die Dritte Internationale, seinen Versuch, Lenin auf die Füße zu stellen.
Von Dänemark aus greift er auch wieder verstärkt in die deutschen Verhältnisse ein - durch Reisen zu Freunden und Bekannten und durch vereinzelte Artikel, die er zunächst unter Pseudonymen schreibt. Doch die Bundesrepublik hatte sich seit 1968 stark verändert. Die Wirtschaftswunderzeit war vorbei, die formierte Gesellschaft zeigte starke Risse, die CDU war abgewählt und SPD und FDP unter Willy Brandt an der Regierung. Gesellschaftliche Reformen wurden angegangen und mit vermehrter Repression gegen radikale Linke kombiniert.
Auch die Linke hatte sich grundlegend gewandelt. Sie hatte ihre antiautoritäre Phase beendet. Während auf der einen Seite die DKP, aber auch jede Menge maoistischer Pseudoparteien aufgebaut wurden, gingen andere in den bewaffneten Untergrund. Die Neue Linke »glaubt, ein geschichtlich ernst zu nehmendes Subjekt zu sein, - und merkt nicht, wie schnell sie bereits wieder zum gesellschaftlichen Objekt geworden ist«, schreibt Dutschke 1974 und sieht das Erbe von 1968 verschüttet: »Jeder Versuch, diese Zeit zu fetischisieren, zu idealisieren, ist genauso reaktionär wie der Versuch, sie zu negieren. Die Erbschaft besteht vor allem in dem Bewußtsein, daß der einzelne kein Objekt von Parteifunktionären sein darf in der Entwicklung hin zur Selbständigkeit, in dem Verlangen nach Demokratisierung. Der Sozialismusbegriff muß erweitert werden, er muß zurückgewonnen werden. Ehe man die Sozialismusfrage stellt, muß man zunächst die demokratische Tradition des Bürgertums ernst nehmen.«
Nach gescheiterten Versuchen, die antiautoritären Reste der Linken zu sammeln und eine neue linkssozialistische Partei zu gründen, wird er Anfang 1979 zum prominenten Gründungsmitglied der Grünen Partei, deren Aufstieg und Niedergang er jedoch nicht mehr erleben sollte. Heiligabend 1979 starb Rudi Dutschke im Alter von 39 Jahren in seinem dänischen Exil an den Spätfolgen des auf ihn 1968 verübten Attentats. Er hinterließ seine Frau Gretchen Dutschke, seine drei Kinder Hosea Che, Polly Nicole und Rudi-Marek sowie ein politisches Vermächtnis, an das sich nur noch wenige erinnern wollen.

Christoph Jünke



Junge Welt, 10.04.2003, Feuilleton
Jürgen Meier

"Leben und Frieden"
Rudi Dutschke: Tagebuch eines selbstkritischen Rebellen

Rudi Dutschke: Die Tagebücher 1963–1979, Kiepenheuer&Witsch, 256 S., 19,90 Euro

Rudi Dutschke schrieb am 29. Juli 1979 nach dem Tod seines Freundes Herbert Marcuse ins Tagebuch: "Unsere Strömung ohne ihn – wer kann es sich ganz denken? Ging uns bei Ernst Bloch ähnlich, beide aber werden unsere Generation nie verlassen. Es gehört mit zu den Pflichten von uns, ihre Geschichte, ihr theoretisch-politisches Denken neu zu vermitteln."

Dutschke wollte Besitzverhältnisse ändern, Entfremdung beseitigen, "Selbstreflexion und eine verändernde Selbstkritik (waren ihm dabei) die höchsten Grade menschlicher Weiterentwicklung." Die Lektüre seiner Tagebüchern rückt Fragen, die den meisten seiner Generation einmal wichtig waren, ins Bewußtsein. Den Arbeitern, schrieb er 1969, mangele es an Klassenbewußtsein, sie seien durch einen relativ hohen Lebenstandard von ihren "Führern" geblendet worden. Die Studenten müßten die Rolle des revolutionären Vorreiters übernehmen. Die Nähe zum Volk sah Dutschke ziemlich illusionär durch die Neugründung der Grünen gewährleistet. Sie müßten sich aber von einer "Antiatomkraft- zur Antiatombomben-Bewegung" entwickeln. Ihr diffuses Grundthema "Leben und Frieden" ziele nicht grundsätzlich auf Veränderung der kapitalistischen Gesellschaft.

Dutschke stemmte sich gegen den Stalinismus des Ostens wie gegen den Kapitalismus des Westens. Seine Analyse des Denkens der Arbeiter enthält theoretische Irrtümer, sie öffnete sektiererischen und terroristischen Aktionen Tür und Tor. Arztsöhne und Richterstöchter konnten sich als militante Stellvertreter der nicht klassenbewußten Arbeiter gerieren.

Eine Bewegung der Studenten ist heute nicht in Sicht. Ihnen sind die Tagebücher zu empfehlen, wollte Dutschke doch, daß "die zukünftige Gesellschaft eine einzige Universität" ist. Allerdings eine "kritische" und keine, die nur auf PISA oder Marketingstudien schaut.


prepared for the web by Harold Marcuse on July 29, 2003, Jansen article added 5/12/04; most recent update--see header
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